Interview:
RR i.R. Paul Faulhaber und RR Jochen Groß

Der erste und der aktuelle Rektor der Josef-Schmitt-Realschule trafen sich – zusammen mit dem Fragesteller Steffen Siegert – zu einem Interview, um in diesem Rahmen über den 60. Geburtstag der Realschule zu sprechen.

Herr Faulhaber, sie waren vermutlich einer der ersten, der dieses Schulgebäude 1969 betreten hat. Wie geht es Ihnen heute, wenn Sie dieses Gebäude 45 Jahre später betreten?
Paul Faulhaber: Es geht mir so, wie es allen Menschen geht, die damals gelebt haben und die in der heutigen Zeit staunen und bewundern, welche wirtschaftlichen, technischen, wahrscheinlich auch pädagogischen Aufschwung unsere Bunderepublik und damit inbegriffen natürlich auch unser Bundesland und unsere Stadtgemeinde Lauda-Königshofen genommen hat. Es ist ungeheuer erstaunlich, wenn man sieht, was hier nun möglich ist, wenn eine Gemeinde das bewahrheitet, was sie vorgibt, nämlich eine Schulstadt zu sein. Und das ist durch den Bau des ersten Steines des Schulzentrums wahr geworden, das die Realschule war und die dann anschließenden Gebäude, die wirklich hier nun funktional, meiner Ansicht nach alle Anforderungen erfüllen, die man – so habe ich mich bei euch überzeugen können – heute an eine Schule stellt.

Herr Groß, sie waren selbst Schüler der Realschule unter dem Rektor Faulhaber. Wo glauben Sie liegen seine Verdienste für diese Schule?
Jochen Groß: Herr Faulhaber hat ganz sicher hauptverantwortlich dazu beigetragen, dass er die Schulart Realschule in Lauda etabliert und zur Blüte getrieben hat. Vor 50 oder 60 Jahren war es sicher nicht selbstverständlich, seine Kinder, vor allem seine Töchter, an einer höheren Bildung teilhaben zu lassen und sie auf eine Realschule zu schicken. Durch viel Überzeugungsarbeit konnte sich die Realschule in Lauda schließlich als eine weiterführende Schule, die anschließend alle Möglichkeiten offen lässt, etablieren. In den Anfangsjahren ging es hauptsächlich um eine möglichst gute Ausbildung, später auch um ein Fundament für ein eventuelles Studium. Es ist der große Verdienst von Herrn Faulhaber, die Schulart Realschule schon so früh in Lauda etabliert zu haben. Andere Städte und Gemeinden waren da deutlich später dran.
Paul Faulhaber: Ich möchte noch ergänzen, dass es nicht einfach war, dass damals der Wind uns sehr ins Gesicht geblasen hat. Schon allein dadurch, dass hier nun ein Gymnasium kommt und man hat ja Vorstellungen vom Gymnasium gehabt, auch im Stadtrat, dass man hier plötzlich Pfarrerstellen ohne Ende bekommt. Kein einziger kam!
Man musste damals auch sehen, Lauda baut sich auf, als Konkurrenzstadt und überflügelt im Moment sogar Tauberbischofsheim als Schulstadt. Und das war für Lauda, die immer schon zwischen Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim lagen, eine wichtige Entwicklung. Wir waren ja zu Glanzzeiten viel mehr Schüler, als die Realschule Tauber. Auch als die Realschule Bad Mergentheim. So das sich herausgestellt hat, auch in Lauda ist schulisches Leben möglich, Wirklichkeit und ist auch nun sagen wir mal zu einem Höhepunkt zu bringen.
Jochen Groß: Das Lauda seit vielen Jahren gerade in schulischer Hinsicht Mittelzentrumsfunktionen inne hat, liegt sicher an der frühen Einrichtung einer Realschule. Später folgte, als Ergänzung in Lauda und als Konkurrenz zu Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim, das Martin-Schleyer-Gymnasium.
Schulleiter, Bürgermeister und Gemeinderäte mit Visionen sowie eine gute Verkehrsanbindung haben dazu beigetragen, dass Lauda zu einem wichtigen Schulstandort geworden ist.

An welches Ereignis aus ihrer Schulzeit erinnern sie sich denn am liebsten?
Paul Faulhaber: Am liebsten erinnere ich mich eigentlich an die 25-Jahr-Feier. Und da habe ich ja auch der Realschule Glück gebracht. Einer der Eltern hat mir bei der 25-Jahr-Feier ein Ferkel, ein Schwein gestiftet. Dieses Ferkel habe ich nun auf den Arm genommen – während meiner Rede kam er hoch auf die Bühne und hat mir das Ferkel gegeben – ich habe das auf den Arm genommen und das Ferkel hat mich „beschissen.“ Und nun kann man ja sagen Ferkel sind Glücksbringer. Und wenn man davon noch beschissen wird, dann ist das ja doppeltes Glück, das man hat. Es gab natürlich viele, viele Glücksmomente an der Schule, wenn man gesehen hat, dass man z.B. jungen Menschen die Möglichkeit gegeben hat hier bei uns im ländlichen Raum zu einem beruflichen Aufstieg zu verhelfen. Es war auch die Zusammenarbeit mit dem Kollegium – es war nicht immer reibungslos – brachte Glücksmomente. Ich erinnere mich auch an Schülerinnen und Schüler von anderen Realschulen, die dort verwiesen wurden und die ich aufgenommen habe, aus denen was geworden ist.

Die Realschule war die erste weiterführende Schule in Lauda. Später kam dann noch das Gymnasium, die Förderschule und seit diesem Schuljahr auch die Gemeinschaftsschule hinzu. Wie sehen sie beide die Position der Realschule, speziell in der Laudaer Schullandschaft?
P.F.: Ich habe mich zu dieser Thematik ja bereits in Leserbriefen geäußert. Wir haben in Lauda ein gewachsenes, ein bodenständig gewachsenes Schulsystem. Wir hatten auch eine gewachsene Grund- und Hauptschule, die als Werkrealschule bestimmt auch ihre Bedeutung hat. Aber man versucht nun durch die Gemeinschaftsschule dieses Individuum Mensch zu vereinheitlichen. Vielleicht ist das der Geist der Zeit, dass man jedem Menschen die gleiche Chance geben muss ist doch eine Selbstverständlichkeit. Es hat mir besonders weh getan zu lesen, dass die bisherigen Schulen, insbesondere die Realschule die Menschen ungleichmäßig behandelt hätte, sie ungleichmäßig gefördert hätte und sie nach dem Geldbeutel ihrer Eltern beurteilt hätte. Ich habe nie in meinem Leben, und ich weiß auch keinen Kollegen, der gesagt hätte „was verdient denn dein Vater?“ Dass man mir und allen Lehrkräften unterstellt wir hätten hier keine soziale Einstellung gehabt, das tut mir weh.
J.G.: Wenn auch in den letzten 60 Jahren die Schullandschaft in Lauda vielfältiger geworden ist, z.B. durch das Gymnasium, die Förderschule, die Werkrealschule oder die Gemeinschaftsschule, so hat die Realschule doch nach wie vor, wie in den letzten 60 Jahren, ihr eigenständiges Profil behalten und ausgebaut. Dadurch das man die Schüler seit Jahrzehnten mit einer erweiterten Bildung sehr erfolgreich sowohl auf eine Berufsausbildung als auch auf den Besuch einer weiterführende Schule vorbereitet, hat man ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Das ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal und deshalb hat die Realschule nach wie vor ihre Existenzberechtigung, ihre Eigenständigkeit und ihre Einmaligkeit. Man kann und muss feststellen, dass die Realschule erwiesenermaßen die Schulart ist, die wie keine Andere sozialen Aufstieg ermöglicht.
P.F.: Dies ist sehr richtig. Durch die Gemeinschaftsschule schwächt man nicht nur die Realschulen, sondern auch unser duales Schulsystem wird dadurch gefährdet, wenn man behauptet, dass die Gemeinschaftsschule auch bis zum Abitur führen kann und hier nun als Lockvogel dies auch anbietet.

Sehen Sie heute folglich einen Wettbewerb zwischen den Schularten oder wie ordnen sie das Nebeneinander der Schularten ein?
P.F.: Ein Wettbewerb zwischen den Schularten gibt es schon. Ein gesunder Wettbewerb unter den Schularten – solange er nicht ausartet – finde ich gut.
J.G.: Ein gesunder Wettbewerb ist unheimlich wichtig, denn von diesem gesunden Wettbewerb profitieren Schüler und Eltern, die Schulen, die Stadt und die ganze Region. In den letzten 10 Jahren wird mir aber deutlich, dass es weniger um das Gegeneinander, als vielmehr um das Miteinander zugunsten der Schulstadt Lauda-Königshofen geht. Ich glaube hier hat sich viel verändert. Speziell das Schulzentrum wird durch die gute Zusammenarbeit der drei Schulen, beispielsweise in den Bereichen Cafeteria oder gemeinsame Kooperationen, gestärkt. Dadurch profitieren schließlich alle ansässigen Schulen.

In so einer Runde müssen wir natürlich auch über Bildungspolitik sprechen und ich würde dies gerne etwas anders beginnen. Was können Sie der aktuellen Bildungspolitik denn positives abgewinnen?
P.F.: Ich war immer der Meinung, dass wir in unserer schulischen Arbeit dem parteipolitischen Einfluss, der immer da war, dass der aber nicht so drängend und die Lehrer beeinflussend da ist, wie jetzt.
J.G.: Etwas Positives ist, dass die Diskussion über Bildungspolitik, mehr als früher, in einer breiten Öffentlichkeit stattfindet, Stichwort „Bildungsplan 2016“. Viele Jahrzehnte konnte man mit bildungspolitischen Themen in der Tagespresse oder im TV fast nur Fachleute erreichen. Heute interessieren sich deutlich mehr Bürger für Bildungspolitik.

Der große Eklat bei der Abschlussfeier 1970. Sie erinnern sich noch daran, Herr Faulhaber?
P.F.: Wir hatten eine Schülerin, die sich nicht nur schulisch, sondern auch außerschulisch betätigte. Und zwar war sie Schul- und Klassensprecherin und sie war vom Geist der 68er angetan und hat sich außerhalb der Schule mit diesen Ideen vertraut gemacht und auch versucht, sie in die Schule zu tragen. Diese Schülerin hat nun in einer Abschlussrede gemeint, dass sie nun die Dinge so wie die heute laufen in der Schule, dass man Autoritäten, dass man Pflichtbewusstsein, die Sekundärtugenden, dass man diese an der Schule zu groß herausstellt und dass es z.B. nicht möglich sei, dass ich darauf Wert lege, dass man den Gottesdienst in der Schule abhalte. Das gäbe es sonst nirgends. Dies sein eine doktrinäre Art, hier nun die Schüler zu zwingen, weil sie nun in der Schule sind, zum Gottesdienst zu gehen. Daraufhin hat der Dekan geschrien „Das muss ich mir nicht gefallen lassen!“ und ist aufgestanden und ist raus gegangen. Die Presse hat sich des Vorfalls bemächtigt und zu meinem Erstaunen nicht für die Schülerin, sondern für uns Partei ergriffen.

Herr Groß hatten Sie auch schon ihren ersten Eklat?
J.G.: Toi, toi, toi. Bisher ist in meiner Zeit kein großer Eklat passiert. Ich lege auch nicht unbedingt Wert darauf, dass einer passiert.

Zu ihrem 25. Dienstjubiläum haben Sie der Zeitung ein Interview gegeben, indem Sie gesagt haben, dass Sie schon sehr viele Erdteile bereist haben, außer Australien. Haben Sie das mittlerweile nachgeholt?
P.F.: Nein, das habe ich nicht nachgeholt und es stimmt auch nicht ganz. In Japan war ich auch noch nicht. Aber ich habe schon sehr viele Länder und Erdteile bereist, was sich mit meiner Funktion als Leiter der Volkshochschule verbinden ließ.

Herr Groß, wie sieht es mit Ihren Reisezielen aus?
J.G.: Meine Frau und ich durften schon viele Länder bereisen. Wenn unsere Kinder in einem Alter sind, das es uns wieder ermöglicht größere Reisen zu unternehmen, haben wir noch einige Länder im Auge. Mit ganz vorne dabei steht beispielsweise Südafrika.

Herr Faulhaber, Herr Groß, ich danke ihnen für das Gespräch.